In den nächsten Jahren müssen Tausende von Windkraftanlagen zurückgebaut und möglichst zahlreich durch Neuanlagen ersetzt werden. Der Recycling-Anbieter EURECUM hat jetzt ein schlüssiges Verfahren zum Vor- und Nachzerkleinern der Rotorblätter entwickelt. Das Restmaterial kann als Ersatzbrennstoff dienen oder auf hohem Recyclingniveau wiederverwendet werden.
Deutschlandweit erreichen in den nächsten Jahren Tausende von Windkraftanlagen das Ende ihrer vertraglich festgesetzten Nutzungszeit. Laut dem Bundesverband Windenergie e.V. betraf dies zum 1. Januar 2021 eine Gesamtleistung von 3.800 bis 4.000 Megawatt; bis Ende 2025 summiert sich die Menge auf insgesamt rund 16.000 Megawatt. Anlagen, die nicht wirtschaftlich weiterbetrieben werden können, müssen zurückgebaut werden. Dabei finden intakte Windkraftanlagen der ersten Generation vielfach noch ein zweites Leben in anderen Ländern. Technisch veraltete Anlagen dagegen müssen entsorgt werden, genauso wie Anlagen der zweiten Generation. Sie sind technisch so komplex, dass sich ein Wiederaufbau nicht lohnt.
Beim Rückbau der ausgedienten Windkraftanlagen fallen viele Stoffe an, die technisch einfach und hochwertig recycelt werden können. Beton aus den Fundamenten und Schotter aus dem Unterbau können im Straßenbau wiederverwendet werden; Stahl- und Elektroschrott sowie NE-Metalle werden sortenrein getrennt und ebenfalls recycelt. Ein Hauptproblem stellte bisher das Zerkleinern und Aufbereiten der riesigen Rotorblätter dar, die überwiegend aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) bestehen. Das Recycling-Unternehmen EURECUM aus der Lutherstadt Eisleben (Sachsen-Anhalt) hat nun ein Entsorgungsverfahren entwickelt. Die Rotorblätter werden vor Ort rationell zerschnitten, zum Entsorgungsbetrieb transportiert und dort zu einem industriell wertvollen GFK-Granulat zerkleinert.
Schnelle, saubere Schnitte
Die Entsorgungskette beginnt am Standort einer ausgedienten Windkraftanlage. Hier zerkleinert ein mächtiger Umschlagbagger die abmontierten Rotorblätter. Mit solchen Maschinen bewerkstelligen Recycling- und Entsorgungsfirmen normalerweise auf ihren Betriebshöfen den internen Materialumschlag. Der neue Umschlagbagger von EURECUM ist ein Modell Cat MH3024 (24 t), das von der Zeppelin Baumaschinen GmbH und ihrer Niederlassung Erfurt im Frühjahr 2020 an ihren Kunden ausgeliefert wurde. Diese rüstete den Umschlagbagger auch mit dem passenden Schneidgerät aus: Es handelt sich um eine hydraulisch angetriebene Diamantsäge des Typs KEMROC KDS 50 (135 kW Nennleistung) mit einem Schneidrad-Durchmesser von 1.200 mm (austauschbar durch ein Schneidrad mit 1.000 mm Durchmesser). Bei eingehenden Vorversuchen hatte sich diese Kombination aus Trägergerät und Anbauwerkzeug als optimal herausgestellt. Die Zeppelin-Niederlassung Erfurt ermittelte für ihren Kunden auch die günstigsten Prozessparameter wie Drehzahl und Kühlung, um ein Optimum an Schneidfortschritt bei minimaler Geräusch- und Staubentwicklung sowie günstigen Verschleißwerten zu erreichen. Ein vollhydraulischer Schnellwechsler am Löffelstiel der Umschlagmaschine sorgt zudem für rasche Wechsel von der KDS-Diamantsäge auf einen Verladegreifer und optimiert damit die Taktung der einzelnen Arbeitsabläufe.
Die Diamantsägen der Serie KDS von KEMROC wurden für das Schneiden von Beton, Stahl, Stahlbeton, Naturstein, Aluminium und insbesondere auch von glasfaserverstärkten Kunststoffen wie Windradflügel konstruiert. Hohe Drehzahlen und eine große Auswahl an Schneidradtypen eröffnen den Maschinen ein breites Einsatzspektrum und große Effektivität. Im konkreten Einsatz zerschneidet der Geräteführer mit seinem Umschlagbagger und der Diamantsäge die drei 40 m langen, jeweils rund 8 t schweren Rotorblätter einer typischen 20-MW-Anlage in einem Tageseinsatz in zweckgemäß große Stücke. Der reine Schneideinsatz beträgt dabei rund fünf Stunden. Der entstehende Staub wird durch Wasserbedüsung gebunden und unter den Schnittstellen mit Vliesmatten aufgefangen, die später fachgerecht entsorgt werden. „Das Verbundmaterial GFK ist an sich nicht umweltgefährdend und wird beispielsweise auch beim Bootsbau verwendet“, erläutert der EURECUM-Geschäftsführer Alexander von Neuhoff, „aber durch unsere Methode wird wirksam verhindert, dass der Schneidstaub in die Umwelt gelangt.“
Recycling auf hohem Niveau
Noch geringer wird die Umweltbelastung dadurch, dass der Maschinenführer die Rotorblätter im Feldeinsatz in lediglich drei bis vier relativ große Stücke zerschneidet. Diese werden anschließend per Umschlagbagger und Greifer auf Lkw-Planenauflieger oder sogenannte Walking-Floor-Trailer verladen und zur Aufbereitungsanlage von EURECUM oder einem der kooperierenden Recyclingbetriebe transportiert. Bei EURECUM in der mitteldeutschen Lutherstadt Eisleben werden zunächst Bauteile aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK), die in geringen Mengen anfallen, separiert. Danach werden die GFK-Stücke in praktikable Größen zerschnitten und anschließend in einem Doppelwellen-Zerkleinerer auf die Größe von Papierblättern zerkleinert. Dieses Material wird später auf einem Einwellen-Messerrotor mit Nachsiebung zu einem rieselfähigen Material mit 18 mm Korngröße zerkleinert. Im nächsten Schritt werden Eisen- und NE-Metalle separiert. Übrig bleibt ein sauberes, feinkörniges Gemisch aus Glasfasern und Kunststoff. Für dieses Material gibt es bereits etablierte Entsorgungswege, etwa als Ersatzbrennstoff in der Zementindustrie. Zunehmend nachgefragt wird aber die stoffliche Wiederverwendung auf höherem Niveau, etwa zur Herstellung von Recycling-Kunststoffteilen.
Die Industrie hat schon vor dem neuen Verfahren von EURECUM praktikable Entsorgungswege für die Rotorblätter von Windkraftanlagen gefunden. Aber nach Beobachtung des EURECUM-Geschäftsführers bestand bis heute noch nicht der Mengendruck für ein Recycling im Industriemaßstab. Jetzt aber gelte es, der enorm wachsenden Anzahl an ausgedienten Anlagen zu begegnen. „Mit unserem schlüssigen Recyclingkonzept, das wir deutschlandweit anbieten“, so von Neuhoff, „kann EURECUM nun Rotorblätter nicht nur hochgradig rationell zerkleinern, sondern hat auch einen praktikablen Ansatz zur wertschöpfenden Weiter-oder Wiederverwendung des Endmaterials geschaffen. Wir kommen damit gerade zur rechten Zeit, denn in den nächsten Jahren rechnen wir durch das anstehende Abschalten von Anlagen oder Repowering mit einem Materialaufkommen von 2.000 bis 3.000 Tonnen jährlich.“