„Kleine Süße“ für salzige Hohlräume

Der Cat D2 XL baut für die GTS in bis zu 713 Metern Teufe Versatz in alte Abbaukammern und Strecken ein

 

Der Bergbau ist im Wandel – Aufgaben verändern sich. Wurde in Teutschenthal bei Halle an der Saale noch bis 1982 Stein- und Kalisalz bergmännisch abgebaut, um daraus Speisesalz und Dünger herzustellen, werden heute die durch die Gewinnung entstandenen Hohlräume unter Tage mit mineralischen Abfallstoffen aus kommunalen und industriellen Anlagen, dem sogenannten Versatz, wieder verfüllt. Damit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die aufgefahrenen Hohlräume werden im Zuge der Nachsorge gegen erneute Gebirgsschläge gesichert. Gleichzeitig wird die ordnungsgemäße Entsorgung von mineralischen Abfällen und Rückständen aus Müllverbrennungsanlagen, Rückständen aus Abfall- und Abwasserbehandlungsanlagen sowie Schlämmen aus der Industrie sichergestellt. Dazu bedient sich die GTS Grube Teutschenthal Sicherungs GmbH & Co. KG (GTS), die ein Tochterunternehmen der Oberstdorfer Geiger-Unternehmensgruppe ist, einer neuen Baumaschinentechnik in Form eines Cat D2 XL. Es ist die erste Raupe ihrer Art, die in dieser Konfiguration in Deutschland in 713 Metern Teufe, so der bergmännische Ausdruck für Tiefe, im Einsatz ist. Bevor sie Premiere hatte, war ihr eine Testphase über Tage vorausgegangen. „Wir wollten sehen, wieweit das Gerät mit seiner Verlängerung schieben kann, weil in dieser Form noch niemand so damit gearbeitet hat“, erklärt Erik Fillinger, technischer Geschäftsführer der GTS. 

 

Mit der Aufgabe, eine passende Baumaschinentechnik für den Einbau von Versatz anzubieten, waren Fred Kraus, leitender Verkaufsrepräsentant der Zeppelin Niederlassung Leipzig, und Reinhold Bosl, Verkaufsleiter vom Zeppelin Konzernkundenbereich, konfrontiert. Sie holten die Zeppelin-übergreifend tätige Abteilung Customizing mit ins Boot. Gemeinsam entwickelten sie dann einen Vorschlag – ganz nach der Devise: für jede Aufgabe die passende Technik. „Fast zeitgleich gab es eine ähnliche Anfrage, die unsere Kollegen in der Niederlassung Hannover für die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) am Standort Schacht Konrad bearbeiteten. Wir konnten dann das System für die GTS übernehmen und an den dortigen Einsatz anpassen“, erklärt Fred Kraus – seit 1994 betreut er den Standort in Teutschenthal.

 

„Die eingesetzte Technik hat sich durch das neue Betätigungsfeld verändert, sodass auch die Beratungsleistung gefordert ist und Sonderkonstruktionen wie an der neuen Cat Raupe ins Spiel kommen, die den Bedingungen unter Tage mit den engen Hohlräumen genauso gewachsen sind wie den Steigungen, wo es wiederum auf Traktion ankommt. Im Gegensatz zur klassischen Erdbewegung – dem sonst üblichen Betätigungsfeld einer Raupe – geht es hier nicht um große Massenbewegungen“, stellt Fred Kraus dar. Dafür schlagen gewisse Parameter wie Sicherheitsaspekte umso stärker zu Buche. „Wir haben uns daher nicht nur mit anderen Gruben, die Raupen einsetzen, ausgetauscht, sondern auch mit den Kollegen der zentralen Technik-Abteilung und dem Einkauf der Geiger-Gruppe, auch wenn diese maschinentechnisch in größeren Dimensionen unterwegs sind“, meint Markus Mannel, kaufmännischer Geschäftsführer und Geschäftsfeldleiter Mineralstoffbehandlung bei der GTS.

 

Am Standort in Teutschenthal sind die Abmaße der Fahrstrecken der limitierende Faktor. „Wir wollen kein Volumen verschenken und auch den Hohlraum bis unter die Firste nutzen“, so Guido Reise, Leiter Instandhaltung Maschinen- und Elektrotechnik. Die Lösung: Ein 3,50 Meter langer Schiebeschild wird nun vor das Schild der neuen Cat Raupe manuell angebaut, sodass die Raupe die ehemaligen Abbaukammern und Strecken bis unter die Firste verfüllen kann. Die Schildverlängerung lässt sich von der Fahrerkabine heben und senken – die Neigungshydraulik wird von Hand eingestellt. „Wir haben die Leistung der Baumaschine mit einem Drittel der Versatzleistung kalkuliert“, erklärt Grubenbetriebsführer Lucas Kempe. Das bedeutet 120 bis 130 Tonnen pro Schicht muss die Raupe an Versatzbaustoffen einbauen. Damit soll sie ein spezielles Bergbaugroßgerät unter Tage mit 28,5 Tonnen Einsatzgewicht unterstützen, das ebenfalls den Einbau übernimmt.

 

Der Cat D2 XL ist nun ein Teil einer Flotte von 60 Bergbaugroßgeräten und Fahrzeugen, mit denen die GTS den Sicherungsauftrag für das Bundesland Sachsen-Anhalt erbringt – und dabei auf größtmögliche Arbeitssicherheit achtet. „Wir müssen dabei die Bereiche gegen Gebirgsschläge schützen. Der Einbau der Reststoffe wird dabei permanent einem Monitoring unterzogen. Wir überwachen die Setzungen seismographisch und Geologen begleiten den Prozess“, führt Markus Mannel aus.

 

Einer der rund hundert Mitarbeiter der GTS ist Raupenfahrer Chris Lange, der in Zukunft den Cat D2 XL steuern wird. Bis er sein Arbeitsgerät erreicht, geht es für ihn Tag für Tag über den Personenförderkorb 713 Meter tief nach unter Tage. Zuvor muss er sich umziehen: Zur PSA, der persönlichen Schutzausrüstung, gehören unter anderem ein Helm mit Geleucht, Arbeitsschutzschuhe und Augen- sowie Gehörschutz. Für Notfälle kann er auf seinen persönlichen Sauerstoffselbstretter zurückgreifen, den jeder Mitarbeiter unter Tage während seiner Acht-Stunden-Schicht mit sich führen muss – dieser wird in der Kabine der Baumaschine an einer dafür vorgesehenen Halterung befestigt. „Früher habe ich im Straßenbau gearbeitet. Da habe ich unter anderem schon Raupen bedient, allerdings waren die größer“, erklärt er. Das ist nicht die einzige Veränderung: Was sein neues Arbeitsgerät anbelangt, muss es wendig sein, weil er in den relativ engen Strecken und Abbaukammern nicht viel Platz hat. „Obwohl die Maschine klein ist, ist sie immer noch geräumig. Die Übersicht von der Kabine aus nach vorne auf den Dozerschild ist gut“, bewertet er die Maschine, die teilweise 3,60 Meter hohe Bergwerkstrecken passieren muss.

 

Wenn er unter Tage arbeitet, muss er sich an die Dunkelheit gewöhnen, die in dem weitverzweigten Streckennetz herrscht, das sich auf knapp 14 Quadratkilometern erstreckt. Der alte Bergmannsspruch „Vor der Hacke ist es dunkel“ gilt auch in der Grube Teutschenthal. Um mögliche Risiken auszuschließen, sind die Fahrer nicht nur auf optimale Beleuchtung in Form von LED-Licht angewiesen, sondern sie erhalten auch weitere technische Unterstützung. Denn es kann auf den letzten Metern eng werden. „Wir haben uns für einen Bügel auf dem Fahrerdach entschieden. Touchiert dieser beim Einbau des Versatzstoffes die Firste, reagiert die Baumaschine über einen Kontaktschalter. Die Maschine schaltet direkt ab und signalisiert dem Fahrer über ein rotes Licht, dass er dem First zu nahe kam. Dafür wurde extra eine Abschaltautomatik eingebaut und über den Not-Aus wird der Fahrtrichtungsschalter selbsttätig auf „Neutral“ gestellt, sodass das Gerät stoppt. So können Kollisionen und Schäden an der Maschine zuverlässig verhindert werden.

 

Uns geht es in erster Linie um unsere Maschinisten und um ihren Schutz. Außerdem können wir so verhindern, dass das Gerät beschädigt wird. Denn wir wollen möglichst lange Freude daran haben“, meint Guido Reise, Leiter Instandhaltung Maschinen- und Elektrotechnik. Um die Technik sicher und effizient einzusetzen, erhielten alle Raupenfahrer seitens der Zeppelin Projekt- und Einsatztechnik eine technische Einweisung, wie sie mit dem Schild den Versatz in die ehemaligen Abbaukammern und Strecken einbauen können. „Die Abbaukammern sind unterschiedlich aufgefahren. In der Einweisung wurde gezeigt, wie die Fahrer die Schildverlängerung an den Standard-Dozerschild anbauen und umbauen und wie sie dieses richtig anwenden, um die nötige Restverfüllung zu erreichen und das Material zu stopfen“, so Fred Kraus.

 

Ein weiterer Schwerpunkt, bei dem die Raupe zum Einsatz kommen soll, ist der Fahrbahn- beziehungsweise der Wegebau der Fahrstrecken. Mit ihrem dreiteiligen Heckzahnaufreißer sollen Fahrwege mit der Raupe gelockert werden. „Wir bringen im Anschluss Wasser auf den Untergrund auf, das Salz wird hart und sorgt für eine glatte Oberfläche, sodass die Fahrwege wieder plan sind“, führt Lucas Kempe aus. Wenn dann der Stahl des Schildes auf das Salz trifft, verstärkt das mit der Zeit den Verschleiß am Unterschraubmesser, das dann gewechselt wird. Auch hier sind die Fahrer angehalten, ein Auge darauf zu haben. Filter müssen sie täglich kontrollieren, um so deren volle Wirksamkeit zu prüfen. Der Motorkühler muss von ihnen bei Bedarf mit einem Kompressor freigeblasen werden, damit er sich nicht mit feinen Partikeln zusetzt.

 

Da für Chris Lange und seine Fahrer-Kollegen ein maximaler Arbeitsschutz zu gewährleisten ist, sorgt eine extra installierte SEKA-Schutzbelüftung am Heck für gefilterte Atemluft in der Kabine. Außen angebracht ist eine Lampe. Leuchtet diese grün auf, signalisiert sie dem Maschinisten eine reibungslose Funktion der Schutzbelüftung. Für Frischluft sorgt ohnehin ein eigenes Bewetterungssystem in der Grube. „Die Neumaschine ist auf dem Stand der Technik und entspricht der aktuellen EU-Abgasstufe V. So versuchen wir alte Technik sukzessive zu ersetzen, was sich eben auch positiv auf die Abgasemissionen auswirkt.

 

Jedes Bergwerk hat seine eigenen Anforderungen und darauf versuchen wir uns mit entsprechender Technik einzustellen“, erklärt Markus Mannel. Und sein Geschäftsführer-Kollege Erik Fillinger ergänzt: „Wir haben hier Unikate genauso wie Sonderlösungen, was den Einsatz eben anspruchsvoll macht.“ Das gilt auch für die „kleine Süße“ – wie die Raupe intern bezeichnet wird. Als vor wenigen Wochen die acht Tonnen schwere Raupe nach unter Tage gebracht wurde, stellte der Schacht Teutschenthal mal kein Nadelöhr dar. Vorab wurde bei Zeppelin in der Niederlassung Leipzig Maß genommen. „Es war nach links und rechts gerade einmal eine Daumenbreite Platz. Diesmal mussten wir die Baumaschine nicht in Einzelteile zerlegen. Lediglich das Schild und der Heckaufreißer wurden weggebaut“, erklärt Nico Petereit, Betriebsingenieur Instandhaltung Maschinen- und Elektrotechnik. „Das hat uns dann auch viel Zeit gespart“, ergänzt sein Kollege Guido Reise. Den Weg zurück ans Tageslicht nimmt die Baumaschine erst am Ende ihrer Dienstzeit auf, wenn sie in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt wird. „Wir sind bestrebt, die größtmögliche Entsorgungssicherheit anzubieten und das über lange Zeiträume“, so die beiden Geschäftsführer von GTS. Hierzu wird die neue Raupe ihren Beitrag leisten.

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